Ziele der Auswanderung - Brasilien

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von Roland Paul
Brasilien

In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts setzte in Südwestdeutschland eine regelrechte Massenauswanderung nach Brasilien ein, die vor allem den Hunsrück, die nördlichen und westlichen Teile des heutigen Saarlandes und die Westpfalz betraf.

Nach der Loslösung von Portugal, der Unabhängigkeitserklärung Brasiliens und der Ausrufung des Kaiserreichs 1822, betrieb die brasilianische Regierung unter Kaiser Dom Pedro I. und seiner Frau, der österreichischen Erzherzogin Leopoldine eine planmäßige Einwanderungs- und Ansiedlungspolitik. Das Kaiserpaar beauftragte den aus Münnerstadt im Untermainkreis stammenden Major Georg Anton Schäffer, im Gebiet des Deutschen Bundes Kolonisten und Söldner anzuwerben. Dieser besuchte die Hansesstädte sowie Frankfurt am Main und zahlreiche deutsche Höfe. Seine Schrift "Brasilien als unabhängiges Reich in historischer, mercantilistischer und politischer Beziehung geschildert" trug nicht unwesentlich zum Bekanntwerden des südamerikanischen Staates in Deutschland bei. Schäffer warb nicht nur Bauern, sondern auch Söldner für die brasilianische Fremdenlegion zum Kampf gegen das nach Unabhängigkeit strebende Uruguay.

Wenngleich sowohl der Bundestag als auch alle deutschen Einzelstaaten unter Bezugnahme auf Berichte über das ungünstige Schicksal einiger Auswanderer Maßnahmen gegen Schäffer und seine Unteragenten einleiteten und die Werbung untersagten, ließen sich viele durch die zugesicherten Privilegien dennoch zur Auswanderung verlocken.

Die Speyerer Regierung warnte am 23. Juli 1824 die Landcommissariate vor dem für die Auswanderung nach Brasilien werbenden Major: "Falls dieses Individuum sich in den Rheinkreis begeben sollte, so wird das k. Landcommissariat beauftragt, denselben während seines Aufenthalts gehörig zu beobachten und nöthigenfalls zu warnen.... Sollte diese Warnung fruchtlos seyn, und derselbe die diesseitigen Unterthanen zur Auswanderung auf was immer für eine Weiße zu verleiten suchen, so ist derselbe zu arretieren und der kompetenten Gerichtsbehörde zur Bestrafung zu überweisen...".

Schon im Dezember 1822 richtete beispielsweise Peter Reinheimer aus Altenglan ein "unterthänigstes Gesuch" an das Landcommissariat Kusel und bat um die behördliche Genehmigung seiner beabsichtigten Auswanderung: "Ich habe schon lange eingesehen, daß ich mich mit meinen 4 Kindern in hiesiger Gegend nicht mehr ernähren kann, sondern bin denen immer ungünstiger werdenden Zeiten am Ende noch dem Bettelstab unterworfen, und müßte denselben ergreifen. Deßwegen habe ich mich entschlossen mit meiner Frau und unsern 4 Kinder nach Amerika in Brassilien auszuwandern..."

Die Auswanderer begaben sich in tagelanger Reise nach Bremen und Bremerhaven, waren von dort aus monatelang, oft drei Monate unterwegs, bis ihr Schiff den Hafen von Rio de Janeiro erreichte. Von Rio aus wurden sie mit kleineren Schiffen in den Staat Rio Grande do Sul an den Südzipfel Brasiliens gebracht und in der Nähe von Porto Alegre, in der "Deutschen Colonie von Sao Leopoldo" angesiedelt. Um 1830 ging die Auswanderung nach Brasilien zunächst zurück, um später in zwei weiteren Auswanderungswellen (vor allem 1846 und 1861) wieder anzusteigen. Sowohl im Raum Sao Leopoldo als auch in zahlreichen Tochterkolonien finden sich heute noch viele hunsrückisch-pfälzische Sprachinseln.