Ziele der Auswanderung - USA |
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Die Vereinigten Staaten von Amerika wurden in den dreißiger Jahren des
19. Jahrhunderts wieder das begehrte Auswanderungsland. Nach dem Hambacher
Fest (1832) und den daraufhin einsetzenden Verfolgungs- und Unterdrückungsmaßnahmen
durch den Deutschen Bund und die bayerische Regierung finden wir die erste
größere Zahl politischer Flüchtlinge, die nach den USA emigrierte. Am 2. September 1832 berichtete der pfälzische Regierungspräsident von Stengel an König Ludwig I. von Bayern: "Die Auswanderungsgesuche nach Amerika mehren sich. Bey dem Stande der Bevölkerung ist es zur Zeit sehr zweifelhaft, ob sie als nachtheilig, oder als vortheilhaft zu betrachten sind. Merkwürdig ist es aber, daß eine große Anzahl der begüterten Ultraliberalen des Kreises ebenfalls die Auswanderung nach Nordamerika beabsichtiget, und bereits wegen Ankauf von Gütern einen Bevollmächtigten erwählt und dahin abgesendet hat." Stengel hatte vermutlich die Familien Engelmann und Hilgard im Auge, deren Mitglieder seit 1831 eine gezielte Auswanderung vorbereiteten. Schon 1831 hatte der Imsbacher Forstmeister Friedrich Theodor Engelmann seinem Sohn nach München geschrieben: "Man schlägt dir vor, dein Vaterland über welches Aristokratie und Pfaffenthum wieder furchtbar ihre Fittinge schwingen, zu verlassen und dich einer zahlreichen in 1 1/2 Jahren nach Amerika ziehenden Gesellschaft anzuschließen..." Die ganze Familie und viele Freunde gingen schließlich im April 1833 in Le Havre an Bord des Schiffes "Logan". Am Ostufer des Mississippi, in und um Belleville im US-Bundesstaat Illinois, ließen sie sich nieder und legten die Grundlage zu einer der blühendsten deutschen Gemeinden der USA. Die Begegnung mit einer auf dem Weg nach Le Havre befindlichen Gruppe von Amerika-Auswanderern in den dreißiger Jahren wird von dem protestantischen Pfarrer Friedrich Blaul (1809-1863) recht eindrucksvoll geschildert. Er bemerkte dazu: "Die Hoffnung auf größeres Wohlbehagen treibt diese Leute in einen fernen Weltteil, aus dem sie nicht hoffen können wiederzukehren, oder doch nur in tiefster Armut. Sie lassen durch keine Gefahr sich schrecken, oder vielmehr sie kennen die Gefahren nicht. Alle schlimmen Nachrichten aus jenem Lande sind für sie gleich Lügen und nur der Brief enthält Wahrheit, welcher erzählt, ein armer Europäer, ein Mann aus ihrem Dorfe, vielleicht gar ein Vetter, sei ein reicher Amerikaner geworden..." In der Tat haben solche Briefe einen großen Einfluß auf die Amerika-Auswanderung gehabt. 1848/49 Unter den pfälzischen Emigranten jener Zeit, die zum großen Teil zunächst in die Schweiz, von hier über Frankreich nach Nordamerika emigrierten, waren beispielsweise der schon in den Tagen des Hambacher Festes "wegen aufreizender Predigten und aufrührerischer Reden" aufgefallene protestantische Pfarrer von Einselthum Adolf Ernst Berkmann, der Präsident der Provisorischen Regierung der Pfalz, Joseph Martin Reichard aus Speyer und sein Innenminister Nikolaus Schmitt aus Kaiserslautern. Wie viele andere Flüchtlinge ließen sie sich in Philadelphia nieder. Andere blieben in New York, manche siedelten sich - wie der bekannte badische Revolutionär Friedrich Hecker - unweit von Belleville, dem "deutschen Athen in Amerika" oder im nahegelegenen St. Louis an. Viele von ihnen brachten es in den USA zu hohem Ansehen, engagierten sich in der Politik, insbesondere bei der Gründung der Republikanischen Partei, gaben liberal-demokratische Zeitungen heraus und kämpften im Bürgerkrieg auf der Seite der Nordstaaten gegen die Sklaverei. Zu Beginn der 1850er Jahre bemerkte Wilhelm Heinrich Riehl auf dem Kreislandwirtschaftsfest in Landau eine neben den Ackerbaugeräten aufgestellte Auswandererkiste auf, die die Inschrift trug "Bleibe im Lande und nähre dich redlich!" "Das war", so schreibt er, "nicht bloß ein guter Witz, sondern in der Tat ein bedeutsames Wahrzeichen pfälzischer Zustände... Die Massenhaftigkeit der pfälzischen Auswanderung ist fast sprichwörtlich". Die Behörden waren in den fünfziger Jahren besorgt über das Ansteigen der heimlichen Auswanderung und ermahnten die Ortsvorstände zum strengeren Durchgreifen. So bezweifelte der Landcommissär von Kirchhheimbolanden, "daß das Veräußern von Immobilien und Geräthschaften, verbunden mit den Reisevorbereitungen ganzer Familien den Ortsvorständen verborgen bleiben können..." Doch die heimlichen Auswanderungen hielten unvermindert an. So wurden beispielsweise in der nordpfälzischen Gemeinde Göllheim von 1844 bis 1851 insgesamt 250 Personen registriert, die ohne behördliche Erlaubnis nach den USA ausgewandert waren. Von den zwischen 1852 und 1862 ausgewanderten 134 Einwohnern der Gemeinde Göllheim waren gerade 34 in Besitz einer behördlichen Auswanderungsgenehmigung! Insgesamt wanderten im Zeitraum von 1844 bis 1862, also innerhalb von 18 Jahren, mindestens 400 Personen aus Göllheim nach den USA aus. Dies war ein außerdordentlich hoher Prozentsatz, gemessen an der damaligen Einwohnerzahl. Aus der kleinen Gemeinde Höheinöd im Landkreis Pirmasens sind zwischen 1825 und 1900 allein über 900 Menschen ausgewandert, fast ausnahmslos in die Vereinigten Staaten. Ähnliche Zahlenbeispiele ließen sich aus anderen pfälzischen Gemeinden anführen. Neben den "abstoßenden" ("push"-) Faktoren im Heimatland trugen auch die "anziehenden" ("pull"-) Faktoren im Einwanderungsland, wie z.B. die Publizierung günstiger Ansiedlungsbedingungen, die optimistische Schilderung amerikanischer Verhältnisse in Privatbriefen, in starkem Maße beispielsweise auch das Bekanntwerden von Goldfunden in Kalifornien nach 1848, zu einer Steigerung der Auswandererzahlen bei. Hauptziele der Auswanderer im 19. Jahrhundert waren neben den Oststaaten New York, New Jersey und Pennsylvanien - und hier wiederum vor allem den Städten New York und Philadelphia - insbesondere die Staaten des sogenannten "Mittleren Westen" wie Ohio, Indiana, Illinois, Missouri, Kentucky, Wisconsin und Iowa. Aber auch in Louisiana (New Orleans) und Texas, wo der in Mainz gegründete "Deutsche Adelsverein" seit 1844 die Ansiedlung von Deutschen betrieb (Neubraunfels), und in Colorado (Denver) finden sich die Spuren pfälzischer Auswanderer. Das "Goldfieber" lockte Tausende von Pfälzern ab 1849 in den nördlichen Teil Kaliforniens. Hier hatte der 1814 im westpfälzischen Steinwenden geborene und 1836 aus Homburg ausgewanderte Carl David (Charles Maria) Weber die Stadt Stockton gegründet, die wie San Francisco und Sacramento für eine ganze Reihe pfälzischer Auswanderer zur neuen Heimat werden sollte. Ein großer Teil der Auswanderer engagierte sich in den zahllosen deutschen
Gesang-, Turn- und Schützenvereinen, die sich in vielen amerikanischen
Städten bildeten. Pfälzische Auswanderer schlossen sich - besonders in
New York, Philadelphia und Chicago - landsmannschaftlichen Vereinigungen
an, z.B. dem "Pfälzer Volksfest-Verein", dem "Rheinpfälzischen Unterstützungsverein"
oder dem "Donnersberg-Club New York". Bedingt durch die Industrialisierung war die Amerika-Auswanderung in
den 1860er Jahren zurückgegangen. An ihre Stelle trat die Binnenwanderung
in die aufstrebenden Industriestädte (Ludwigshafen, Mannheim, Kaiserslautern)
bzw. in die Bergbaubetriebe und Eisenhüttenwerke an der Saar. In der Notzeit nach dem Ersten Weltkrieg stieg die Amerika-Auswanderung wieder beträchtlich an. Unter den damaligen Auswanderern waren viele westpfälzische Wandermusikanten ("Mackebacher"), die Amerika zum Teil auf früheren Reisen kennengelernt hatten. In New York entstanden damals der "Club der Mackenbacher" und der "Club der Jettenbacher". Die menschenverachtende Poltik der Nationalsozialisten zwang ab 1933
Tausende zur Flucht ins Ausland. Unter ihnen waren vor allem jüdische
Emigranten, die damit zum Teil dem für die meisten Pfälzer Juden 1940
durch die Deportation nach Gurs in Südfrankreich einsetzenden "Holocaust"
entgehen konnten. |